Gordon Amuser, der Vorsitzende des KEA DÜW hatte die Gelegenheit zum Thema „Gefährlicher Trend – Eltern werden aus Kitas ausgeschlossen“ mit Claudia Theobald, der Vorsitzenden des Kita-Fachkräfteverbands RLP ein Interview zu führen.
Frau Theobald vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, sich mit dem Kreiselternausschuss zu diesem polarisierenden Thema auszutauschen.
Was halten Sie aus pädagogischer Sicht davon, dass Eltern im Alltag die Kita nicht betreten, sondern das Bringen und Abholen an der Eingangstür oder im Flur vonstattengeht?
Kurz gesagt, überhaupt nichts. Die meisten Kinder besuchen heute die Kita ganztägig und bereits im Kleinkindalter. Neben den Eltern sind auch die Erzieher*innen wichtige Bezugspersonen für die Kinder. Wenn die Kita und Elternhaus getrennte Welten sind, die nur wenig Berührungspunkte haben, kann das für Kinder belastend sein, und förderlich ist das sicher nicht.
Warum halten Sie die regelmäßige Begegnung der beiden Welten Kita und Elternhaus für wichtig?
Für ein Kind ist es ideal, wenn alle Bezugspersonen gemeinsam Interesse an seinem Befinden und seinen Aktivitäten bekunden. Kindern ist es wichtig, zum Beispiel dem abholenden Elternteil die selbstgebaute Raketenstation in der Bauecke zu zeigen. Wenn dann noch die Erzieherin erzählt, wieviel Ausdauer, Geschick und Kooperation erforderlich waren, erlebt das Kind, dass Erzieherin und Elternteil gemeinsam wohlwollend und liebevoll auf es blicken und sich über Entwicklungsfortschritte freuen. Andererseits sind Informationen aus dem Elternhaus wichtig. Wenn die Erzieherin beispielsweise hört, dass ein Kind schlecht geschlafen hat oder noch nicht gefrühstückt hat, kann sie anders auf das Kind eingehen, als wenn ihr diese Information fehlt.
Was steckt Ihrer Meinung nach dahinter, wenn Kita-Fachkräfte die Bring- und Abholzeit an die Eingangstür verlagern und nicht wollen, dass Eltern sich täglich in der Kita aufhalten?
Ich selbst kenne keine Kita, die Eltern am Eingang abfertigt. In vielen Kitas ist die personelle Situation angespannt. Ich kann mir vorstellen, dass der Faktor Zeit eine Rolle spielt. Tür- und Angelgespräche und das individuelle Ankommen und Gehen jedes Kindes kostet Zeit, die im Kita-Alltag leider häufig ein knappes Gut ist. Eine weitere Erklärung könnte eine gewisse Konfliktscheu sein. Meinungsverschiedenheiten oder Eltern, die Fragen stellen oder nachhaken, können durchaus anstrengend sein.
Sie haben also Verständnis dafür, dass Eltern draußen bleiben sollen?
Ich kann vielleicht verstehen, wie so etwas zustande kommt. Verständnis habe ich dafür nicht. Der Begriff der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft beinhaltet regelmäßige Begegnungen und Austausch. Kita und Familie sollten keine getrennten Welten sein. Eltern würden doch auch nicht ihr Kind vor der Tür der Großeltern übergeben, ohne kurz mit reinzugehen und ein paar Worte zu wechseln.
In ländlichen Regionen und in integrativen Einrichtungen werden Kinder nicht selten mit Bussen zur Kita befördert.
Ideal ist das nicht. Wenn Kinder mit dem Bus zur Kita gebracht werden, fehlt der tägliche Kontakt mit den Eltern. Ich weiß von Kitas, gerade im integrativen Bereich, die erkannt haben wie wichtig der regelmäßige Austausch von Kita und Elternhaus ist. Dort wird mit Recordern gearbeitet. Kind und Eltern können so von zuhause von Erlebnissen berichten oder Infos weitergeben, und in der Kita besprechen Fachkräfte und Kinder die Recorder. Das dient dann als Brücke zwischen Kita und Elternhaus.
Sie plädieren also für eine Kita, in der Eltern aus- und eingehen und mit den Fachkräften im regelmäßigen Austausch stehen?
Kinder haben feine Antennen. Ein entspanntes und selbstverständliches Miteinander von Fachkräften und Eltern gibt einem Kind Sicherheit. Um Verständnis dafür zu entwickeln, wie es den Familien zuhause und den Kindern in der Kita geht und was sie gerade bewegt, ist regelmäßiger Kontakt und Austausch wichtig. Die tägliche Begegnung in der Kita bildet dafür eine gute Grundlage.
Betroffene Kitas versuchen die dortigen Eltern vom Ausschluss zu überzeugen, indem sie ihn als pädagogisch wertvoll darstellen. Die Kinder würden schneller selbstständig, Machtkämpfe werden vermieden. Ist da etwas dran?
Das Thema Selbständigkeit oder Vermeidung von Machtkämpfen muss man unter entwicklungspsychologischen Aspekten betrachten. Eine möglichst frühe Selbständigkeit im Sinne einer schnellen Unabhängigkeit von den Bindungspersonen ist für Kleinkinder weder sinnvoll noch wünschenswert. Junge Kinder brauchen vor allem verlässliche Bezugspersonen, die ihnen Sicherheit geben. Vertrauen in die Welt und die eigenen Fähigkeiten können sich nur gut entwickeln, wenn Kinder sich nicht überfordert fühlen. Genau das kann aber passieren, wenn Kinder abrupt an der Kita-Tür übergeben werden, ohne dass die häusliche Bindungsperson und eine Bezugsperson in der Kita eine persönliche Übergabe gestalten. Machtkämpfe sind anstrengend für Fachkräfte und Eltern. Sie gehören aber zu einer gesunden psychischen Entwicklung eines Kindes dazu. Machtkämpfe sind vor allem bei zwei bis dreijährigen Kindern normal (Trotzalter). Es ist daher kein pädagogisch sinnvolles Ziel, Machtkämpfe zu vermeiden, sondern es ist wichtig, die Kinder in ihren Emotionen zu begleiten und ihnen zu helfen, sich emotional zu regulieren.
Frau Theobald, vielen Dank für den Austausch.