FACHKRÄFTEMANGEL – GASTBEITRAG DES FACHKRÄFTEVERBANDES RLP

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Der KEA DÜW beschäftigt sich auch mit Fragen und Problemstellungen, die nicht alleine Eltern beschäftigten, sondern ist auch interessiert an gemeinsamen Aufgabenstellungen der Kita-Akteure.

Vor diesem Hintergrund haben wir im Februar den Kontakt zum Fachkräfteverband RLP gesucht, um Themen zu sondieren. Ein Thema, das uns alle in der Gegenwart und auch in der Zukunft beschäftigen wird, ist der Fachkräftemangel. Wir konnten Frau Claudia Theobald, die Vorsitzende des Fachkräfteverbandes gewinnen, zu diesem Thema einen Gastbeitrag zu verfassen, den wir Ihnen hiermit gerne zukommen lassen.

Wir geben auch den Erzieherinnen und Erziehern im Rahmen der Bildungspartnerschaft unserer Kinder gerne Raum für ein Statement.


Das Thema Kita-Fachkräftemangel ist aktuell in aller Munde. Neu ist das Thema allerdings nicht.

Vor nun bald 20 Jahren pausierte ich mit meiner Arbeit in der Kita, um in Erziehungsurlaub (heute Elternzeit) zu gehen. In dieser Zeit begann in RLP der Kita-Ausbau für Kinder unter drei Jahren. Auch die Ganztagesbetreuung wurde immer weiter ausgebaut.

Bereits damals war in allen Kita-Fachzeitschriften zu lesen, dass in Zukunft wesentlich mehr Fachkräfte gebraucht würden und in einigen Jahren ein massiver Fachkräftemangel drohe.

Die Ausbildungskapazitäten wurden erweitert, hielten aber nie Schritt mit dem wachsenden Bedarf an Fachkräften. Den Kitas fiel es mit den Jahren immer schwerer, neue Stellen zu besetzen und überhaupt noch eine Auswahl an Bewerber*innen zu haben.

Das Problem des Kita-Fachkräftemangels ist nicht auf Rheinland-Pfalz beschränkt. Bundesweit kämpfen Kitas darum, die Betreuung der Kinder zu gewährleisten. Bereits die regulären Betreuungsschlüssel sind weit entfernt von den Mindestanforderungen der Fachleute an gute Bildung und Betreuung. Vakante Stellen und fehlende Vertretungskräfte führen vielerorts dazu, dass pädagogische Angebote, Aktivitäten, Ausflüge, aber auch Zeiten für Bildungs- und Erziehungspartnerschaft, sowie Elternmitwirkung immer weiter eingeschränkt werden müssen.

Mit dem neuen Kita-Gesetz von RLP wurden nun trotz des großen Fachkräftemangels die Betreuungszeiten ausgeweitet, um allen Kita-Kindern durchgehend mindestens sieben Stunden Betreuung (inklusive Mittagessen) zu bieten.

Im Grundgedanken und auf dem Papier ist das neue Gesetz gut und fortschrittlich. Immer mehr Eltern wünschen sich oder benötigen eine durchgehende Betreuung ihrer Kinder, um Berufs -und Privatleben gut unter einen Hut zu bekommen.

Der massive Protest der Erzieher* innen richtet sich nicht gegen die grundsätzlichen Ideen des neuen Gesetzes. Was Kita-Fachkräfte frustriert, ist die Forderung, diese Ideen mit unzureichender Personalisierung, in Gebäuden mit inadäquaten Räumlichkeiten und in Zeiten eines massiven Fachkräftemangels umzusetzen.

Mittlerweile sind ziemlich alle Beteiligten des Kita-System auf dem harten Boden der Realität gelandet. Der Fachkräftemangel ist so immens, dass vielerorts keine verlässliche Betreuung mehr gewährleistet werden kann. Über den Bildungsauftrag der Kitas will ich hier erst gar nicht reden.

Die nächsten Jahre werden schwierig bleiben. Alle sind betroffen. Kinder, Eltern, Fachkräfte, Leitungen, Träger, Jugendämter und die Politik, aber auch Arbeitgeber und Wirtschaft können sich nicht auf einen geregelten, bedarfsgerechten Kita-Alltag mit guter Betreuungs- und Bildungsqualität verlassen.

In den Kitas vor Ort wird es immer wieder darum gehen, welche einschränkenden Maßnahmen, die aufgrund der Personallücken getroffen werden müssen, am ehesten verkraftbar sind. Dafür brauchen wir die enge Zusammenarbeit von Kita-Team, Elternvertretung und Träger. Auch ein Pool an Aushilfskräften (sofern geeignete Kräfte zu finden sind) könnte manche Engpässe abfedern.

Waren Kitas lange eher Randnotizen der Bildungspolitik, bestreitet aktuell kaum jemand mehr, dass Kitas systemrelevant sind und gute frühkindliche Bildung wichtig für die Zukunft unserer Gesellschaft ist.

Und jetzt? Was tun?

Als Erzieherin und Vorsitzende des Kita-Fachkräfteverbands Rheinland-Pfalz erlebe ich Tag für Tag, dass die aktuelle Situation mehr als schwierig ist.

Sie ist aber nicht hoffnungslos! Wir haben es in der Hand, Dinge zum Besseren zu verändern. Vieles ist schlicht eine Sache von Prioritäten, auch die Frage der Finanzierung kindgerechter Betreuungs- und Bildungseinrichtungen.

Seit vielen Jahren gibt es politische Forderungen zur Reform der Erzieherausbildung. Endlich findet sich dieses Vorhaben im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung sowie der Ampelregierung von Rheinland-Pfalz. Eine vergütete, praxisintegrierte Ausbildung würde die Attraktivität des Erzieherberufs steigern und wäre ein wichtiger Schritt, um dem Problem des Fachkräftemangels zu begegnen. Um das Interesse von Abiturient*innnen an der Arbeit in der Kita zu wecken, bräuchte es übers Land verteilt an den Unis oder Fachhochschulen vergütete duale Studiengänge, die es in vielen anderen Branchen seit Jahren gibt. Als Fachkraft aus der täglichen Praxis wünsche ich mir sehr, dass bei allen Überlegungen über die neue Form der Ausbildung auch die Perspektive der Basis mit einbezogen wird.

Das Bewusstsein dafür, dass unser Kita-System vor großen Problemen und Herausforderungen steht und die Betreuung unter nicht kindgemäßen Bedingungen stattfindet, wächst auch in Rheinland-Pfalz.

Es bildet sich eine Allianz aus Fachkräften, Elternvertreter*innen, Trägern und Politiker*innen. Sie benennen die grundsätzlichen und konkreten Probleme des Kita-Systems und engagieren sich für einen bedarfsgerechten Ausbau der Kinderbetreuung mit kindgerechten Bedingungen und einer guten pädagogischen Qualität.

Diese Allianz ist neu und macht Hoffnung. Kinderbetreuung geht uns alle an, denn die Kinder von heute sind die Gesellschaft von morgen.

Claudia Theobald
Vorsitzende des Fachkräfteverbandes RLP