RUNDER TISCH ZUR KITA-SITUATION IN HASSLOCH

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Am Dienstag, den 18. April 2023 hat die Gemeindeverwaltung Haßloch zusammen mit dem Fachkräfteverband Rheinland-Pfalz (FKV RLP) und dem Kreiselternausschuss Bad Dürkheim (KEA DÜW) Kita-Leitungen und Elternvertreter*innen der kommunalen Kitas zu einem „Runden Tisch“ in Haßloch eingeladen.

Kita-System
Das Kita-System ist sehr komplex!

Was der Abend deutlich herausgestellt hat, ist die Tatsache, dass das Kita-System sehr komplex ist! Bereits während des Impulsvortrages der Vorsitzenden des FKV RLP Frau Claudia Theobald und des Vorsitzenden des KEA DÜW Gordon Amuser wurden Probleme und entsprechende Handlungsalternativen in den Haßlocher Einrichtungen diskutiert.

Sozialgesetzbuch
Zwischen SGB VIII, KiTaG und kommunaler Pflichtaufgabe

Zu Beginn der Diskussion stand schon fast traditionell der Verweis auf das seit 1.7.2021 gültige KiTaG, welches mitschuldig für die aktuelle Misere sei. So fiel beispielsweise von Herrn Bürgermeister Meyer (CDU) der Satz, dass sich das Land beim KiTaG einen schlanken Fuß gemacht habe. Ein parteipolitischer Vorwurf, den die Verantwortungsgemeinschaft zu Genüge kennt.

Ein Verweis auf das KiTaG ist jedoch nicht möglich, ohne die Vorgaben des SGB VIII, einem Bundesgesetz aus Regierungszeiten der CDU, zu berücksichtigen. Das Land RLP kann im Bereich der Kitas lediglich eigenes Recht festlegen, insofern der Bund kein Recht gesetzt hat. In §§ 22 bis 26 SGB VIII wurden Regelungen geschaffen, die einen abstrakten Rahmen für das Kita-System bilden. Insofern konkretisiert das Land lediglich Vorgaben des Bundes, was die parteipolitischen Schuldzuweisungen von Herrn Meyer an absurdum führen. Die Inhalte des Rechtsanspruchs ergeben sich aus einem Zusammenspiel des SGB VIII sowie des KiTaG.

Das alte KiTaG legte bereits vor dem 01.07.2021 den Rechtsanspruch auf eine siebenstündige Betreuung am Vor- und Nachmittag fest. Dabei sollte dem Bedarf der Eltern/Familien auch auf eine durchgängige Betreuung inklusive Mittagessen Rechnungen getragen werden.

Vor diesem Hintergrund lohnt sich ein exemplarischer Blick in die Kommentierung der Bedarfsplanung des Kreisjugendamtes für das Kita-Jahr 2018/19 für die Gemeinde Haßloch.

Der Bedarf an Kindergartenplätze ist bei 4,5 Jahrgängen um 61 Plätze nicht gedeckt, die tatsächlichen Anmeldezahlen liegen jedoch noch höher. Die Kinderzahlen sind durch das Neubaugebiet weiter angestiegen, sodass der Fehlbedarf nicht mehr durch die bestehenden Ressourcen in den Kindertagesstätten aufgefangen werden können. Zur langfristigen Bedarfsdeckung plant die Gemeinde Haßloch den Neubau einer 4-gruppigen Kindertagesstätte. Hierfür sollen die Bauplanungen bis Sommer 2018 abgeschlossen sein. Die Fertigstellung der Baumaßnahme ist derzeit bis 2020/2021 geplant. … Generell ist auch die Nachfrage nach Ganztagesplätzen in der Gemeinde Haßloch sehr hoch.

Anhand dieser Bedarfsprognose wird deutlich, dass das Problem mit in der bedarfsplanerischen und politischen Vergangenheit liegt und das neue KiTaG deutliche Versäumnisse aus der Zeit vor seinem Inkrafttreten beleuchtet. Herr Bürgermeister Meyer hat jedoch seit seiner Amtsübernahme die Weichen der frühkindlichen Bildung in die richtige Richtung gestellt. Der nun endlich geplante Bau von zwei Einrichtungen, um die zahlreichen Provisorien abzulösen, eine eigene Ausbildungsoffensive von pädagogischen Fachkräften, Rahmenbedingungen für einen Vertretungspool usw. zeigen den richtigen Weg auf. In Haßloch stellt man sich seiner kommunalen Pflichtaufgabe und handelt.

Um das Kita-System hinsichtlich der Auswirkungen durch den Fachkräftemangel zu stabilisieren und zu entlasten, müssen die Kommunen und Träger ihre vakanten Stellen jedoch auch besetzen können. In der Vergangenheit wurden nicht ausreichend Fachkräfte ausgebildet, was Aufgabe des Landes gewesen wäre.  Mit der vergüteten Ausbildungsform, die nun allen Bewerber*innen offensteht, der Regelung, dass Azubis nicht auf den Stellenschlüssel angerechnet werden, und einer Fachkräfteoffensive geht das Land ebenso die richtigen Schritte. Um dem Ziel einer kindgerechten Betreuung, Bildung und Förderung näher zu kommen, braucht es das absolute Engagement auf allen Ebenen des Kita-Systems.

Fachkräftemangel
Der Fachkräftemangel lähmt das Kita-System

Aber auch in Haßloch ist das Kita-System extrem durch den Fachkräftemangel belastet, der immer wieder zur Aktivierung des Maßnahmenplans und zu damit verbundenen Einschränkungen von Betreuungszeiten führt. Wie die Diskussion des Abends gezeigt hat, leiden unter der Situation in den Kitas gleichermaßen Träger, Fachkräfte, Eltern und Kinder.

Es kam eine kontroverse und auch anregende Diskussion über Lösungsansätze auf. Im Rahmen des Impulsvortrages wurden Alternativen zur Entlastung von Fachkräften aufgezeigt, die eine Stabilisierung der Betreuungssituation mit sich bringen. Die Stadtverwaltung hat aufgezeigt, welche Maßnahmen sie bereits ergriffen hat, aber auch verdeutlicht, wo die Probleme bei der Umsetzung liegen. Als Beispiel hat die Verwaltung die Möglichkeit eines Vertretungspools geschaffen, der jedoch in der aktuellen Situation nicht gefüllt werden kann.

Richtung
Der Spagat zwischen Bildung, Erziehung und Betreuung

Verständlicherweise fragte ein anwesender Elternvertreter kritisch nach, warum man jetzt hier eineinhalb Stunden sitze und nur zu hören bekommt, was nicht geht bzw. funktioniert. Daraufhin stand ein Lösungsvorschlag von Seiten der Elternvertreter*innen im Mittelpunkt der Diskussion, der die verstärkte Einbeziehung von Ehrenamtler*innen zur Entlastung der Fachkräfte zum Thema hatte. Auch bei den anwesenden Kita-Leitungen fand dieser Vorschlag Zuspruch. Die Verwaltung sicherte zu, den Vorschlag im Rahmen einer Beratung mit dem Landesjugendamt zu prüfen.

Weniger Zuspruch fand dieser Vorschlag bei Theobald und Amuser. Auch die Verwaltung wies auf potenzielle Problemstellungen hin, was beispielsweise das nicht vorhandene Direktionsrecht von Ehrenamtler*innen im Vergleich zu angestellten Aushilfskräften betrifft. Eine mögliche zunehmende Fluktuation der Bezugspersonen durch Ehrenamtler*innen ist zu befürchten, was letztendlich nicht nur aus pädagogischen Gesichtspunkten negative Auswirkungen haben kann, sondern auch in letzter Instanz eine Frage des Kindeswohls ist. Frau Theobald wurde in diesem Zusammenhang eine Extremposition vorgeworfen, was deutlich aufzeigt, dass aus der Not heraus, die Grenze zwischen für den weiteren Bildungsweg der Kinder elementarer Bildung sowie Erziehung und dem reinen Betreuungsanspruch sowohl bei Fachkräften als auch bei den Familien deutlich verschwommen ist.

Die Gewährleistung des Kindeswohls bezieht sich auf sozial/emotionale, körperliche und geistige Aspekte. So wie Kinder in körperlicher Hinsicht darauf angewiesen sind, dass sie regelmäßig essen, trinken und hygienisch versorgt werden, gehört zu den emotionalen Grundbedürfnissen kleiner Kinder, dass sie in Kitas eine geregelte Tagesstruktur und vor allem verlässliche, liebevolle und stabile Beziehungen zu ihren Bezugspersonen in der Kita vorfinden. Das ist kein Luxus, sondern das Fundament einer kindgerechten Kita-Betreuung.

In diesem Punkt waren sich Theobald und Amuser einig, dass das Kindeswohl eine nicht zu überschreitende Grenze darstellt. Zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist Betreuung ein wichtiger Punkt, der im Verlaufe des Abends immer wieder genannt wurde. Jedoch sichert das Sozialgesetzbuch nicht nur Betreuung zu, sondern stellt auch Bildung und Erziehung heraus. In Zeiten des Fachkräftemangels befinden wir uns in einem Spagat, dieses Spannungsfeld zum Wohle der Kinder bestmöglich in Einklang zu bringen. Was aber nicht passieren darf, ist, den Fokus lediglich auf die Betreuung zu legen.

Was von Seiten der Anwesenden ebenso nicht berücksichtigt wurde, sind die wachsenden Anforderungen des Personalmanagements an Träger und Leitungen. Auch die Anleitung der Ehrenamtler*innen darf nicht unterschätzt werden. Die verbindliche und direktive Komponente von angestellten Aushilfen ist mit Entwicklungsmöglichkeiten verbunden. Notlösungen müssen immer mit mittel- und langfristigen Überlegungen verknüpft sein. Eine angestellte Aushilfe kann und soll durch Fort- und Weiterbildungsangebote den Quereinstieg in die Kita schaffen. Ziel muss es sein wieder mehr Fachkräfte in die Kitas zu holen. Es darf nicht dazu kommen durch den kostenneutralen Einsatz von Ehrenamtler*innen die aktuelle Notlage noch zu zementieren. Ebenso muss, wie in vielen Bereichen der Verantwortungsgemeinschaft, die Meinung zu diesem Thema bei Fachkräften und Eltern in den einzelnen Kitas erhoben werden. Es gilt hier immer, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen. Ehrenamtler*innen können das Angebot einer Kita sicherlich sinnvoll ergänzen, sie dürfen jedoch nicht als billige Lückenfüller eingesetzt werden.

Kindergarten
Unsere Kinder stehen im Mittelpunkt

Theobald und Amuser zeigen sich nach der Veranstaltung zufrieden. Es ist eine Diskussion in Gang gekommen, was auch das Ziel des Termins war. Man muss sich auch mal einig sein, sich eben nicht einig zu sein. Die Partner der Verantwortungsgemeinschaft saßen am „Runden Tisch“. Es war nicht zu erwarten, dass man nach dem Diskurs mit einem großen Konsens und einem Masterplan auseinandergeht.

Um den einleitenden Satz erneut aufzugreifen: Das Kita-System ist sehr komplex.

Es ist aber nicht nur komplex, was die Erfüllung des Rechts- oder Betreuungsanspruchs betrifft, sondern auch was gut für unsere Kinder ist. In all diesen Punkten muss sich die Verantwortungsgemeinschaft hinterfragen und überlegt an einem Strang ziehen. Aktuell entwickelt sich das Kita-System eher in eine Richtung der gegenseitigen Vorhaltungen. Wir dürfen bei allen Ideen und Gedankengängen nicht vergessen: Unsere Kinder stehen immer im Mittelpunkt!